Sonntag, 30. Dezember 2012

Persönlicher "Stilbruch" - Weiterentwicklung in Lolita

Das Jahr geht zu Ende und man tendiert nun gerade nach "besinnlichen" Feiertagen dazu, sich Gedanken zu machen über die vergangene Zeit und das, was demnächst kommen soll - jedenfalls geht es mir so ;)

Da Lolita sozusagen mein größtes Hobby ist, gilt natürlich ein gutes Stück dieser Gedankengänge einer meiner wichtigsten Leidenschaften in meinem Leben. Vorweg, falls das jetzt allzu dramatisch klang: Nein, ich möchte natürlich nicht damit aufhören, diese Mode zu tragen und mich tagtäglich damit zu beschäftigen! Nur das nicht - im Gegenteil habe ich sogar vor, 2013 häufiger als dieses Jahr mal Gelegenheiten zum Aufrüschen zu nutzen.

Vielmehr gelten meine Gedanken meiner persönlichen Stilrichtung und deren Entwicklung.
Dazu möchte ich etwas ausholen, bis in die Zeit in der ich Lolita kennen und lieben lernte: 2001! (bitte stellt euch vor, wie ich das mit zittriger Stimme und mich auf einen Stock stützend vortrage :P Lolitaoma!)

Damals gab es noch das OCS in Hamburg und dorthin pilgerte ich mit Freundinnen öfter mal am Wochenende, um die abstrusesten Hello Kitty-Gegenstände zu bestaunen (heute würde ja auch in Deutschland eine HK-Klobürste keinem mehr ein müdes Lächeln abgewinnen) und in den Zeitschriften zu blättern. Die Gothic Lolita Bible gab es damals noch nicht in der japanischen Buchhandlung, die erste Ausgabe erschien ja auch erst im selben Jahr, aber stattdessen ging ich immer mit einem neuen Exemplar der "Fruits" nach Hause. Diese Zeitschrift, die zum größten Teil aus Streetsnaps von modebewussten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Harajuku besteht, sollte ja auch noch den Jüngeren unter euch ein Begriff sein :P Dort entdeckte ich einige Fotos von Mädchen mit ausladenen Röcken, rüschen- und spitzenbesetzten Blusen, klobigen Schuhen und einer puppenartigen Erscheinung, die mich sofort in den Bann zogen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass dieses Bild aus der 36. Ausgabe mir besonders gefiel:


Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie dieser Stil zu benennen war, ich war nur angetan von der Silhouette, den Details, dem Look im Allgemeinen und ich begann, Mädels in dem Stil zu zeichnen und mir vorzustellen, wie ich mal eines dieser schönen "Rüschenkleidchen" tragen würde... ohne allerdings wirklich daran zu glauben.

Später, je mehr ich mich für japanische Mode zu interessieren begann, fand ich dann auch  irgendwann mal heraus, dass dieser Stil Lolita hieß (...früher war das wohl noch nicht so einfach mit dem Internet...) und gewisse Regeln hatte.

Von Beginn an assoziierte ich Lolita allerdings immer mit seiner etwas dunkleren Seite, der Zeit gemäß natürlich mit einem recht deutlichen Old School-Einschlag: Breite "Binden-Headdresses", schwarz und weiß, Rüschen über Rüschen, Plateauschuhe, Posieren wie eine etwas morbide Porzellanpuppe... an dieser Vorstellung, die mich damals ja zu diesem Stil hingelockt hatte, hielt ich auch fest, als ich Jahre später erst meine ersten Outfits zusammen hatte. Gothic war also unbestritten mein Lieblingsstil und ich konnte mir auch länger keine andere Richtung für mich vorstellen.

Das änderte sich dann, je mehr ich in diese Mode eintauchte, mich mit anderen austauschte, neue Impulse bekam und es irgendwann immer einfacher war, an die Kleidung zu kommen, auch wenn man nicht nähen konnte, gerade kein Austauschjahr in Japan verbrachte oder mal eben so als Schüler locker Geld aus dem Ärmel schütteln konnte (je älter ich wurde, desto "günstiger" erschien mit Lolita, dabei war der Wechselkurs vor fünf Jahren und länger noch viel besser als heute! Sobald man selbst Geld verdient, erscheint einem vieles erschwinglicher). Nur schwarz/weiß zu tragen wurde irgendwann uninteressant, je mehr mir bewusst wurde, was für eine Bandbreite an Möglichkeiten Lolita bietet. Mein erstes Brandkleid war dann auch kein Gothic-, sondern ein Classicitem:

                                                  Das Window Print Underbust JSK von Metamorphose (2003).

Heute würde ich es mir nicht mehr kaufen, der Print ist einfach nicht mehr meins, die Gestaltung ist so naiv-kindlich irgendwie. Aber damals war ich unglaublich stolz drauf!

Von diesem Zeitpunkt an wechselte ich mich zwischen Classic und Gothic ab. An beiden Stilen gefiel mir bzw. gefällt mir noch heute die elegante, feminine Ader und teilweise die historischen Elemente, die in den Designs verarbeitet werden.

Ich war damals sehr verliebt in Mary Magdalene und deren klassische Designs. Leider besitze ich bis heute kein Kleid dieser Marke, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass deren Kleider wesentlich seltener auf dem Second Hand-Markt zu finden sind - und für den Neupreis war ich bisher zu geizig. 
Edit Frühjahr 2013: Das ist passé, mittlerweile habe ich zwei Kleider von MM - eines davon ist das Rote Rose OP :D

Das Rote Rose OP in Rot mochte ich am liebsten:


Ab dem Sommer 2008 pausierte ich dann vollends mit Lolita. Gücklicherweise entschloss ich mich dann im Frühjahr 2010, die alte Leidenschaft wieder aufleben zu lassen und bin heute engagierter denn je. Diese lange Pause ging nicht spurlos an mir vorbei, ich war offener geworden gegenüber anderen Stilen abseits von dunkler Eleganz. Während mein erstes Lolitakleid aus dieser "zweiten Phase" wiederum ein schwarz/weißes Kleid mit Old School-Einschlag war, kamen schnell Stücke in allen möglichen anderen Schattierungen der Mode in meine Garderobe (nur dass Sailor nicht zu mir passt, wusste ich schon immer).
Die große, noch immer anhaltende Printmanie war schon länger in der Szene ausgebrochen und ich wurde ebenfalls schnell davon angesteckt.

Meine große Liebe war Fantasic Dolly, das ich auch lange genug gesucht hatte in einem Ton und Schnitt, der mir am meisten zusagte:


Von da an war ich ziemlich angefixt von AP, auch wenn mir die berühmt-berüchtigten Pastell-Törtchen-niedliche-Tierchen-Prints noch nie wirklich zugesagt haben ;) Aber ich habe mir recht viele AP-Kleider mit Prints zugelegt, die gerade noch so, je nach Coord, als "süßes Classic" oder "Sweet mit Classiceinschlag" durchgehen könnten. Die meisten trug ich jedoch nur einmal und sie wechselten dann wieder den Besitzer. Obwohl ich einige Prints und Kleider sehr ansprechend fand, gefielen sie mir doch an mir selbst plötzlich gar nicht mehr. Allerdings war das nicht nur im Sweetbereich so, allgemein habe ich mir viel zu oft Kleider "einfach so" gekauft, weil sie günstig waren, ich mir irgendetwas kaufen wollte aus Freude, Frust oder Langeweile heraus, weil ein Kleid das ich ursprünglich hatte erwerben wollen plötzlich ausverkauft war oder aus ähnlich fadenscheinigen Gründen.

Meine Garderobe habe ich also mehrmals ausgemistet und dabei immer mehr gemerkt, dass ich mich mit Classic, am liebsten in dunklen Farben, feminin und "chic" sowie in schlichtem Gothic am wohlsten fühle. Sweet ist einfach vom Tragegefühl her nichts (mehr) für mich, zum einen weil ich auch im Alltag eher weiblich-elegante Kleidung bevorzuge und auf keinen Fall eine niedlich-kindliche Ausstrahlung erzeugen will, zum anderen, weil ich mehr und mehr auf die 30 zugehe und es sich für mich einfach seltsam anfühlt, dann in rosa und mit quietschniedlichen Prints auf dem Kleid vor die Tür zu gehen (und dabei gibt es durchaus Lolitas, die älter sind als ich und bei denen es toll aussieht! Aber das ist einfach, wie so oft, eine Typ- und Persönlichkeitsfrage).

Ich habe schon recht lange mit Lolita zu tun, und doch erst jetzt das Gefühl, "meinen Stil" gefunden zu haben. Das ist jetzt nicht bedauernswert, da man sich ja häufig in neue Richtungen entwickelt und es nicht unüblich ist, bestimmte Phasen zu durchlaufen, in denen man etwas Neues ausprobieren möchte (und sich dabei vielleicht auch mal vergreift). Schade ist es halt um manche Kleider, die ich mir in einer bestimmten Phase zugelegt habe um jetzt festzustellen, dass ich mich in anderen viel "heimischer" fühle und die anderen wahrscheinlich nicht mehr wirklich tragen werde.
Naja, Martin wird sich freuen, denn wie er mir nach dem letzten Treffen in Saarbrücken, an dem wir gemeinsam teilnahmen, mitteilte, findet er schlichtes Classic ohnehin am schönsten. Vielleicht kann ich dann zukünftig sogar mal Lolitageschenke von ihm erwarten ;)

Mir ist bewusst, dass man sich als Lolita nicht für einen Stil entscheiden muss, man kann bildlich gesprochen montags Gothic, dienstags Classic, mittwochs Pirate, donnerstags Sweet, freitags Sailor und am Wochenende dann Country oder Ero oder wie es einem beliebt tragen, ohne dass die Lolitapolizei am Ende des Monats klingelt und man mit Schimpf und Schande verjagt wird aus der Szene und nie wieder an einem Treffen teilnehmen darf.
Trotzdem finde ich es angenehm, bei einer Richtung anzukommen, in der man sich am wohlsten fühlt und die man gerne verkörpert, ohne sich verkleidet zu fühlen.

Kennt ihr das auch, dass man selbst nach längerer Zeit als Lolita sich von einer Stilrichtung weiterentwickelt und einer anderen zuwendet?

Ich hoffe, ihr habt angenehme Feiertage verbracht :) Ich wünsche euch einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen